Neue Mobilitätskonzepte

„Die Natur erobert die Stadt zurück“

Vor kurzem hat die Süddeutsche Zeitung über eine Forderung des ADAC berichtet, dass sich Städte den größer werdenden Fahrzeugen anpassen müssten. Werden die Dimensionen von Autos bald unseren Alltag bestimmen? Pedro Oliveira, Leiter Technologie/Innovation und Isabel Wesche, Leiterin Innovation/Nachhaltigkeit, beschäftigen sich mit der Fragestellung, wie die Mobilität der Zukunft aussehen könnte und entwickeln entsprechende Mobilitäts- und Fahrzeugkonzepte. Im Interview sprechen sie über die Generation Y, Circular Economy und Städte der Zukunft.

Artikel Süddeutsche Zeitung
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Redaktion: Größere Fahrzeuge brauchen mehr Platz. Daher fordert der ADAC, dass zum Beispiel Parkplätze und Straßen entsprechend vergrößert werden, was wiederum Einfluss auf den städtischen Lebensraum hat. Werden wir unseren Alltag bald um unsere Fahrzeuge herum gestalten?

Isabel: Das kann nicht das Ziel sein. Laut einer Statistik der Landeshauptstadt München aus dem Jahr 2017 nehmen Verkehrsflächen 17 Prozent der Gesamtfläche ein, das entspricht über 7000 Fußballfeldern. Angesichts der vielen Herausforderungen vor der wir stehen, zum Beispiel dem Mangel an städtischen Wohnflächen, dürfen diese Flächen nicht noch weiter zunehmen, wir brauchen andere Lösungen.

Susan Zöller (Strategie), Isabel Wesche und Pedro Oliveira beim MQ! Innovation Summit 2018.
In der Zukunft werden verschiedene Mobilitätskonzepte im urbanen Lebensraum ineinandergreifen.

Wie könnten solche Lösungen aussehen?

Pedro: Heute stellt das Fahrzeug ein Statussymbol dar. Deswegen möchten wir es besitzen und allein nutzen. Wie oft werden aber Fahrzeuge genutzt? Private PKW`s haben sehr hohe Standzeiten wie zum Beispiel in Parkplätzen oder Garagen.

Isabel: Aber schon heute merken wir bei der Generation Y, also bei den Personen, die zwischen 1980 und 2000 geboren sind, dass der Statusgedanke abnimmt. Vielmehr geht es ihnen darum, wie sie die Zeit nutzen, in der sie unterwegs sind. Außerdem sind sie auch bereit Carsharing zu betreiben.

Pedro: Und das wird sich zunehmend verstärken. Jüngere Generationen suchen nach neuen Lösungen und Alternativen zum individuellen Besitz eines Fahrzeugs. Daher arbeiten wir gemeinsam mit unseren Kunden an neuen Mobilitäts- und Fahrzeugkonzepten. Sobald ein Fahrzeug ständig unterwegs ist, werden deutlich weniger Parkplätze benötigt. Damit würden Städte sehr viel Platz gewinnen. Und wenn möglichst viele Menschen diese zukünftigen Angebote nutzen, steigt der Mehrwert.

Wenn Fahrzeuge ständig unterwegs sind mit wechselnden Personen, stellt das auch ganz neue Anforderungen an Langlebigkeit und Nutzungskonzepte.

Isabel: Absolut. Fahrzeuge, die immer auf der Straße sind, müssen einfach und schnell zu warten sein. Zudem will der Kunde immer die neueste Technik zur Verfügung haben. Wir entwickeln Konzepte, die die Updatefähigkeit solcher Fahrzeuge ermöglichen.

Pedro: Dieses fortwährende Warten und Updaten von Fahrzeugen macht es auch erforderlich, dass Bauteile wiederverwendet werden. Stichwort: Circular Economy. Daran arbeiten wir bereits seit über einem Jahr. Einige unserer Konzepte und Ideen befinden sich schon im Versuchsstadium.

Bei Circular Economy werden recycelte Güter dem Kreislauf wieder zugeführt.
In den Städten der Zukunft nimmt die urbane Mobilität einen zentralen Stellenwert ein.

Bisher beruht das Geschäftsmodell von Automobilherstellern auf dem Verkauf. Wie können zukünftige Geschäftsmodelle aussehen, wenn der Besitz an Bedeutung verliert und es vielmehr um das Nutzen geht?

Pedro: Die Luftfahrtindustrie ist ein gutes Beispiel dafür. Mit welchem Flugzeughersteller warst du das letzte Mal unterwegs. Airbus, Boeing?

Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr.

Pedro: Genau das ist der Punkt. Beim Fliegen spielt es keine Rolle für den Kunden. Ihm ist viel wichtiger, wie er die Zeit im Flugzeug verbringt. Die Serviceleistungen rund um Komfort und Unterhaltung stehen im Vordergrund. Das wird auch in der Automobilbranche viel stärker in den Fokus rücken. Es werden neue Dienstleistungen entstehen, für die der Kunde zahlen kann. Die prognostizierten Margen für digitale Services sind enorm.

Wie könnten Städte der Zukunft aussehen, wenn Verkehrsflächen weniger werden?

Isabel: Städte sind der Lebensraum der Zukunft. Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass bis 2050 fast 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Umso wichtiger ist es also, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Flächen möglichst so gestalten, dass sie erstens den notwendigen Platz bieten und zweitens die Gesundheit und das Wohlbefinden der Einwohner fördern. Ein wichtiger Faktor für diese Gestaltung ist die urbane Mobilität. Wenn die neu entwickelten Mobilitäts- und Fahrzeugkonzepte es ermöglichen, dass nicht mehr so viele Verkehrsflächen benötigt werden, könnten stattdessen mehr Parks, Freizeitanlagen und Erholungsmöglichkeiten entstehen. Die Natur wird die Stadt zurückerobern.

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