Zwischen den 1950er und 1970er Jahren waren kantige Karosserien schwer im Trend - von Aerodynamik wollte keiner etwas wissen. Die Ölkrise 1973 sorgte für ein Umdenken und man konzentrierte sich intensiv auf das Senken des Luftwiderstandes bei Fahrzeugen, um den Spritverbrauch zu reduzieren.
Audi legte 1982 einen Meilenstein mit den historisch geringen cw-Werten des Audi 100 C3. Heute ist der Luftwiderstandsbeiwert wichtiger denn je. Die Verminderung des Treibstoffverbrauchs steht gerade im Bezug auf den Klimawandel im Fokus innovativer Entwicklungen. Geht es um die Reichweite von Elektroautos, ist die Aerodynamik sogar einer der wichtigsten Faktoren.
Dr. Kentaro Zens arbeitet seit 2018 als Leiter Aerodynamik / Strömungsakustik / Simulation bei PSW. Sein erstes Projekt im Unternehmen war die Aerodynamikentwicklung des Audi e-tron GT gemeinsam mit den Fachexperten von Audi. Schon früh zeichnete sich das Interesse für Aerodynamik ab.
Das erste Mal habe ich die Aerodynamik bewusst als Kind wahrgenommen, beim Heraushalten der Hand während der Autofahrt. Schon da fand ich den Luftwiderstand spannend. Wie viel Kraft dahinter steckt und wie viel es ausmacht, wenn sich der Winkel der Hand nur ein klein wenig verändert.
Auch während seines Maschinenwesen- und Fahrzeugtechnik-Studiums an der TU München faszinierte ihn die Unvorhersehbarkeit der Luftströmung und so war die Aerodynamik auch das Thema seiner Diplomarbeit. „Bei der Luft kann man nicht sehen, wie sie sich bewegt und ob sie sich bewegt und wo sie beim Fahrzeug ablöst. In meiner Arbeit als Aerodynamiker möchte ich die Strömung so gut wie möglich kontrollieren und sie mir zum Werkzeug machen“, so der Münchner.
Kentaro Zens war schon immer neugierig und ein Tüftler - und er ist es noch heute, denn gerade im Windkanal muss man sich auch manchmal pragmatisch behelfen. Zusammen mit seinem neunköpfigen Team ist er hochmotiviert das Projekt angegangen. „Als wir zum ersten Mal das Modell gesehen haben, dachten wir alle: so sieht die Mobilität der Zukunft aus“, schildert er. „Man spürte und sah direkt die Audi DNA, alle waren begeistert und alle wollten mitmachen.“
Zuvor war Kentaro Zens acht Jahre als Aerodynamiker bei Audi und mit der Entwicklung verschiedener Fahrzeuge beschäftigt - ganz klassisch mit Maßstabs-modellen und viel Zeit im Windkanal, sozusagen die alte Schule der Aerodynamik. Mit der Entwicklung des Audi e-tron GT bewies Audi gemeinsam mit PSW, dass es in Zukunft auch anders geht.
„Bei früheren Fahrzeugprojekten war ich bis zum 1000 Stunden im Windkanal. Beim Audi e-tron GT waren es 150 Stunden. Wir hatten uns auf die Simulation fokussiert und versucht, viele Details aufzulösen, daher waren wir uns sicher, was funktioniert und was nicht. Nur ein Model haben wir am Ende der Entwicklung zur Absicherung in den Windkanal gestellt. Das ist nachhaltig, spart Ressourcen und Kosten", erläutert der Diplom-Ingenieur.
Interview ohne Worte: Aerodynamik
Wichtig war bei diesem Projekt zum einen die Kooperation mit den Methoden-Entwicklern von Audi, die die Simulationsumgebung zur Verfügung stellten. Zum anderen auch die frühzeitige Kommunikation mit dem Design-Team. Das Design ist bei der Fahrzeugentwicklung eines der wichtigsten Erfolgsfaktoren und so wurde ein Konzept entwickelt, dass auf einer sehr engen Zusammenarbeit zwischen den beiden Abteilungen Audi Design und Aerodynamik basiert.
Der Audi e-tron GT ist der materielle Beweis, dass gutes Design und gute Aerodynamik sich nicht widersprechen. Das ist uns in Zusammenarbeit mit der PSW gelungen, die für mich ein wertvoller Entwicklungspartner ist, der gezielt auf unsere Bedürfnisse eingeht und über umfassende Kompetenzen in vielen verschiedenen Bereichen des Fahrzeuges verfügt.
„Wir haben uns von Anfang an regelmäßig mit den Designern abgesprochen. Bestes Beispiel ist die Frontklappe. Da wird bei Hochleistungsfahrzeugen oftmals die Kühlluft durch einen Spalt ausgeleitet, um den Motor zu kühlen. Bei einem Elektrofahrzeug braucht man das aber nicht, da hier deutlich weniger Abwärme erzeugt wird. Wir haben überlegt, wie wir das Stilelement trotzdem behalten können und es entstand die markante Mulde, quasi als sportliches Zitat. Man sieht sie nur im Licht- und Schattenspiel und genau das gibt dem Fahrzeug den besonderen Charakter,“ beschreibt Kentaro Zens. Die Übertragung des Exterieur-Designs in ein 3-D-Modell und die vielen Simulationen in einer so frühen Phase sind ein echtes Novum und werden zukünftig die Prozesse prägen. So zum Beispiel bei einem Nachfolgeprojekt, welches Audi mit Unterstützung der PSW-Spezialisten gerade verwirklicht.
Zur sogenannten Beschaffungsfreigabe wird ein Fahrzeug als Hardware gemessen, 1:1 digitalisiert und nachsimuliert. Das Verhalten wird dann - ganz vereinfacht gesprochen – nach dem Dreisatz-Prinzip für die komplette Serie prognostiziert. Eine Simulation, die aufgrund der Vermessung eines einzigen Fahrzeuges als "virtuelle Blaupause" für alle Derivate genutzt werden kann. Kentaro Zens sieht dabei seine Rolle irgendwo zwischen Kurator und Entdecker. „Als Kurator vergisst man nie, wo man herkommt. Als Entdecker muss man neugierig sein und versuchen, andere Wege einzugehen. Weit über den Tellerrand zu schauen, bringt einen da am weitesten“, sagt der Aerodynamiker und man kann gespannt sein auf die zukünftigen windschnittigen Folgeprojekte.